Erreichbarkeit in der Langfristperspektive

Die Erreichbarkeit verschiedenster Ziele im Kanton Bern und der Schweiz hat sich seit der Mitte des 19. Jahrhunderts enorm verbessert, mit weitreichenden Konsequenzen für die Wirtschaftsgeografie des Landes. Die Mobilität wurde schneller und billiger, der Verkehr ist entsprechend gewachsen und manchmal selbst zum Problem geworden.

Ein Fachbeitrag von Historiker und Verkehrswissenschaftler Ueli Haefeli

Mobilität ist ein zentrales Phänomen unseres Alltags. Sie ist existentielles Bedürfnis, kulturelle Praxis, hedonistischer Konsum. Unterwegssein ist anthropologische Notwendigkeit, sie ist Erfahrung, Welterschliessung, Risiko, Lust und Last zugleich. Und Verkehr ist unbestrittenermassen eine wichtige Voraussetzung für das Funktionieren moderner Volkswirtschaften. Die Gewährleistung der Produktion von Gütern, ihre Auslieferung und Entsorgung hängen ebenso wie die Erbringung von Dienstleistungen von einem möglichst reibungslos funktionierenden Verkehrssystem ab. Die verlässliche Erreichbarkeit bestimmter Ziele in nützlicher Frist und zu einem tiefen Preis trägt entscheidend zur Leistungsfähigkeit einer Volkswirtschaft bei. Aus historischer Sicht den grössten Wandel brachte die Eisenbahn als erstes motorisiertes und sehr schnelles Verkehrsmittel. Mit der Pferdekutsche von Bern nach Zürich zu reisen entsprach einer Tagesreise, noch vor dem Ersten Weltkrieg schaffte dies ein Zug in gut zwei Stunden. Die Zeitgewinne durch Verkehrsmittel, die seither im Einsatz stehen, erscheinen im Vergleich dazu bescheiden. Aus der Perspektive eines Unternehmens gewannen ab der Mitte des 19. Jahrhunderts Standorte in der Nähe von Bahnhöfen und später von Autobahneinfahrten enorm an Bedeutung. Die Schweiz hat die Rolle der Erreichbarkeit früh erkannt – sie verfügt heute über ein im internationalen Vergleich hervorragendes Verkehrssystem und kann damit von einer hohen Standortgunst profitieren. Nicht zuletzt deshalb ist die Wirtschaft rasch gewachsen. Dies hat in den letzten Jahren häufig zu Überlastungen der Infrastruktur geführt, während Herausforderungen wie der Klimawandel, aber auch die wachsende Kritik an der Zuwanderung, Fragezeichen hinter einen weit reichenden Ausbau der Infrastruktur stellen. Auf kantonaler und nationaler Ebene stellt sich deshalb heute die Frage, wie das Verkehrssystem optimiert werden kann.

Zur Person

Der Historiker und Verkehrswissenschaftler Ueli Haefeli ist seit 2011 bei Interface tätig. Er hat sich auf Verkehrsfragen spezialisiert. Seine Schwerpunkte liegen bei der Evaluation von Verkehrsprojekten, bei der Analyse von Verkehrstrends und Mobilitätsverhalten sowie bei Fragen der Nachhaltigkeit und der Mobilitätsberatung.

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