Wo Berner Träume gebraut werden

Bernard Fuhrer weiss Chancen zu nutzen: 2018 hat er als Inhaber und Geschäftsführer die Traditions-Brauerei Felsenau übernommen und in diesem Jahr war sein Unternehmen erstmals am Gurtenfestival präsent. Aktuellen Herausforderungen wie dem Rohstoffmangel oder der drohenden Energiekrise begegnet er pragmatisch und baut dabei auf den grossen Erfahrungsschatz seines über 140-jährigen Unternehmens.

«Natürlich war das stets ein Traum: Am Gurtenfestival zu sein und dabei das eigene Bier trinken zu können.» Im Juli 2022 ist dieser Wunsch von Bernard Fuhrer, Inhaber und Geschäftsführer der Brauerei Felsenau, Realität geworden. Die Berner Traditionsbrauerei war in Kooperation mit Eichhof erstmals für den Ausschank des nebst Wasser wohl wichtigsten Getränks des «Güsche» verantwortlich. Beim Gespräch eine halbe Woche nach dem Grossanlass ist Bernard Fuhrers Euphorie noch immer gross. Auch wenn das Festival eine Parforce-Leistung von ihm und seinen zwanzig Mitarbeitenden verlangt hat.

Bereits einige Tage vor dem Auftakt unterstützte das Felsenau-Team die Gastronominnen und Gastronomen bei Bar-Inbetriebnahmen und nachdem am frühen Sonntagmorgen die letzten Bässe verhallt waren, stand nahtlos der Abbau an. Das Berner Bier Felsenau auf dem Gurten: Es ist der bisher wohl grösste Coup von Patron Bernard Fuhrer, welcher die Brauerei 2018 übernommen hat. «Im Alleingang hätten wir die Präsenz logistisch und produktionstechnisch nicht stemmen können. Deshalb kam uns zugute, dass die Festival-Verantwortlichen bei der Vergabe an die Hauptsponsorin Eichhof einen regionalen Partner zur Bedingung gemacht hatten.»




Felsenau: Unabhängig und familiär

Felsenau ist tief in der Stadt Bern verwurzelt und agiert seit der Gründung 1881 unabhängig. Bis 2017 führten mit Stefan Simon und Martin Thierstein in 5. Generation die letzten Vertreter der Hemmann-Gründerfamilie die Brauerei. Weil eine familieninterne Nachfolge nicht möglich war, wurde nach einer externen Lösung gesucht. Dass dabei Bernard Fuhrer ins Spiel kam, ist höchst erfolgreichem Networking zu verdanken: «Ein Freund von mir engagiert sich zusammen mit Stefan Simon im Freiwilligen-Netzwerk Kiwanis und auf einer gemeinsamen Bierreise in München erzählte ihm dieser, dass Felsenau eine externe Nachfolgeregelung anstrebe. Mein Kollege dachte dabei sofort an mich und stellte den Kontakt her.»

Gezieltes Netzwerken ist Bernard Fuhrer auch heute wichtig: Deshalb ist Felsenau Mitglied bei der HIV-Sektion Bern. «Ich besuche die HIV-Anlässe häufig, weil es eine sehr gute Plattform ist, um sich mit anderen Berner Unternehmen zu vernetzen.» Bis zur effektiven Übernahme gingen dann rund vier Jahre ins Land. Dabei überzeugte Bernard Fuhrer die Verkäufer, obwohl er bis dato nicht über operative Brauerei-Erfahrung verfügte. Da er jedoch als Unternehmensberater bei der Beratungsgesellschaft BDO AG regelmässig Brauereien sowie KMU bei betriebswirtschaftlichen Fragen und bei Nachfolgeregelungen beriet, empfahl er sich trotz Quereinstieg gleich im doppelten Sinne.

Bei der Finanzierung durfte er neben eigenen Mitteln auf vielfältige Unterstützung zählen: «Das Vermögen eines noch nicht 40-Jährigen reicht für eine Firmenübernahme naturgemäss nicht aus. Meine eigene und die Verkäuferfamilie leisteten einen grossen Beitrag und alle Beteiligten – einschliesslich der Bank – gingen etwas weiter, als es bei solchen Transaktionen üblich ist.»




«Wer nichts wagt, gewinnt nichts»

137 Jahre war Felsenau in Familienbesitz, bevor Bernard Fuhrer zum Zug kam: Stiess er bei seinem Vorhaben nie auf Skepsis? «Vor der Übernahme habe ich mit allen Kaderleuten, darunter den Braumeistern sowie dem Verkaufsleiter, intensive Gespräche geführt und hatte danach die gute Gewissheit, dass es passte. Ich durfte ein hervorragend aufgestelltes Unternehmen übernehmen mit motivierten und loyalen Mitarbeitenden sowie technischen Anlagen, welche auf dem allerneusten Stand sind. All das gibt Sicherheit.» Trotzdem sei in der Nacht vor der finalen Unterschrift an Schlaf nicht zu denken gewesen. «Da geht einem nochmals so einiges durch den Kopf. Aber ich bin definitiv einer, der eher das Risiko sucht. Wenn man nichts wagt, gewinnt man nichts.»

Und so wird in der Brauerei Felsenau im gleichnamigen Quartier an der Aare auch in Zukunft unabhängig feinstes Bier gebraut. Pro Jahr sind es rund 25’000 Hektoliter oder umgerechnet rund 8,3 Millionen «Stangen». Insgesamt hat die grösste Stadtberner und zweitgrösste Kantonalberner Brauerei zehn Biere im Angebot – das wohl bekannteste ist das «Bärner Müntschi». Beliefert werden verschiedene Partner in der Gastronomie und im Detailhandel sowie Private und Veranstaltungen unterschiedlichster Grösse – vom Familienfest bis hin zu Festivals wie eben dem Gurtenfestival oder dem Bärner Stadtfescht.




Kreative Lösungen: Damals wie heute

Neben Erfolgen waren die bisherigen Jahre von Bernard Fuhrer als Felsenau-Patron auch von Herausforderungen geprägt. Nach der Corona-Krise hat nun der Krieg in der Ukraine massiven Einfluss auf das Tagesgeschäft. «Einen Rohstoffmangel spüren wir noch nicht, jedoch einen stark erhöhten Preisdruck», so Bernard Fuhrer. Gerade weil das Brauwesen naturgemäss einen hohen Energieverbrauch habe.

«Ein Biersud muss zunächst auf knapp 80 Grad aufgeheizt und für die Lagerung wieder auf 0 Grad gekühlt werden.» Bernard Fuhrer erinnert daran, dass Bierbrauen früher eine saisonale Angelegenheit war: «Die Produktion war nur von Oktober bis März erlaubt, weil im Sommer keine ausreichende Kühlung gelang. Und im Winter wurden Eis und Schnee aus dem Moossee, dem Egelsee und dem Berner Oberland geholt.»

Dass dem Unternehmen, welches bereits zwei Weltkriegen und der Spanischen Grippe getrotzt hat, ein solches Szenario für nähere Zukunft droht, ist im Moment nicht abzusehen. Und trotzdem hat die Energieoptimierung im Unternehmen einen hohen Stellenwert: «Im Branchenvergleich verbrauchen wir bei Felsenau wenig Energie. Zudem hegen wir Pläne für eine Photovoltaikanlage, sobald wir unsere Dächer sanieren werden.»




Wenn Träume zu Schäumen werden

Nicht nur in Sachen Energieverbrauch, sondern auch bezüglich der Angebotspalette setzt Felsenau für die Zukunft auf Innovation – schliesslich gibt es nach dem Meilenstein Gurtenfestival neues Potenzial, Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Die aktuell sehr angesagten und häufig von Mikrobrauereien produzierten Biere wie IPA oder Stout sind für Felsenau weniger ein Thema. Vielmehr setzt Bernard Fuhrer weiterhin auf die Krone der Braukunst mit untergärigen Spezialitäten wie Lager oder Spez.

Ein Augenmerk liegt dabei auch auf alkoholfreiem Bier, welches dem Zeitgeist entsprechend sehr gefragt ist. Bernard Fuhrer: «Die Sortenvielfalt wird garantiert weiter zunehmen. Nach dem Detailhandel hat nun auch die Gastronomie nachgezogen und das Angebot alkoholfreier Varianten ist Standard geworden.» Das aktuelle alkoholfreie Bier im Felsenau-Portfolio heisst «Schümli». Und da bei Felsenau Träume und Schäume erfolgreich Hand in Hand gehen, ist der nächste Coup ja vielleicht dereinst ein «Bärner Tröimli».




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