«VIP-Lounges sind nicht unser Style» - Backstage im Bierhübeli

Im Bierhübeli feiert, quizzt, datet, lacht, tanzt und politisiert Bern seit über 35 Jahren. Dave Naef und Nando Hepp, beide Geschäftsführer des Kultbetriebs, setzen sich für diese Ausgabe von «Mitglieder im Fokus» mit uns ins Gustav, das Restaurant des Bierhübelis, und plaudern aus dem Nähkästchen.

Gegenüber dem Haupteingang verbirgt eine weisse Wand eine RBS-Baustelle. Ein Warnplakat fordert dazu auf, keine Gegenstände herabzuwerfen. Das Piktogramm macht deutlich, dass damit Glasflaschen gemeint sind. Ist die Gegend rund um das Bierhübeli ein Problemfall? «Ganz und gar nicht», erklärt Geschäftsführer Dave Naef, der zusammen mit Nando Hepp das Lokal leitet. «Wir unternehmen alles, um ein gutes Verhältnis zu unseren Nachbarn zu pflegen.» Nach Veranstaltungen sammelt das Team Müll in der Umgebung, und abends sorgen Patrouillen für Ruhe. «Unsere Nachbarn wissen natürlich, dass sie neben ein Kulturlokal gezogen sind, aber wir möchten trotzdem ein positives Miteinander fördern», ergänzt Hepp. Ein Symbol dieser Bemühungen ist das jährliche Sommerfest, zu dem die gesamte Nachbarschaft eingeladen wird – ohne laute Musik, dafür mit Wurst und Tombola. «Das schafft Vertrauen und Verständnis, und deshalb haben wir nur selten Beschwerden», so Naef. Die Geschäftsführer Dave Naef (links) und Nando Hepp.




Nachhaltigkeit als Grundwert

Seit 2008 lenkt Hepp die Geschicke des Bierhübelis. 2016 kam Naef dazu, und gemeinsam übernahmen sie die Anteile des früheren Besitzers Carlo Bommes. Dabei entwickelten sie neue Ideen, die das Kulturlokal modernisieren und zukunftssicher machen sollen. Ein Beispiel ist der Gastrobereich «Gustavs Biergarten», der wie der Rest des Bierhübelis mit regionalen Produkten wie Vodka aus dem Bernapark oder Gin aus der Matte punktet. Auch im Haupthaus ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema: Das Bierhübeli bezieht ausschliesslich Ökostrom, hat bereits vor Jahren auf LED-Beleuchtung umgestellt und nutzt ein erdgasbetriebenes Auto. Und die Urinale kommen ohne Wasser aus. «Das sind Massnahmen, die für uns selbstverständlich sind. Wir reden nicht viel darüber, sondern setzen es einfach um», erklärt Naef. Damit meint er: Nachhaltigkeit ist für ihn kein Marketinginstrument. Selbst die Verpflegung der Bands wird durch vegane Alternativen ergänzt.

Doch Nachhaltigkeit bedeutet für das Bierhübeli nicht nur Umweltbewusstsein. Soziale Verantwortung hat ebenfalls einen hohen Stellenwert. Die Mitarbeiter profitieren von fairen Löhnen, Loyalitätsboni und einer Spesenpauschale. «Wir möchten, dass sich unser Team langfristig bei uns wohlfühlt. Diese Zufriedenheit überträgt sich auf die Gäste», sagt Hepp.

Ein Ort für jede Lebensphase

Das Bierhübeli sieht sich als ein Ort, der alle Generationen anspricht. «Hier erlebst du dein erstes Konzert mit den Eltern, später deine erste Party als Teenager und dann vielleicht ein Jazz-Konzert mit vierzig», beschreibt Naef das Konzept. Die Vielfalt des Programms ist dabei ein bewusstes Alleinstellungsmerkmal. Von LGBTQ+-Partys über politische Veranstaltungen bis hin zu klassischen Lesungen oder Podcast-Aufnahmen – das Bierhübeli deckt eine breite Palette ab. «Unser Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, an dem sich alle Berner:innen willkommen fühlen, egal in welcher Lebensphase», ergänzt Hepp.

Diese Bandbreite ist wirtschaftlich eine Überlebensstrategie. «Nischenprogramme sind riskant», erklärt Naef. «Wer nur ein spezielles Bedürfnis bedient, wird schnell austauschbar. Wir wollen ein Lokal für alle bleiben.» Diese Strategie zahlt sich aus: Mit rund 120’000 Gästen im Jahr gehört das Bierhübeli zu den meistbesuchten Veranstaltungsorten der Region.

Diese Zahlen bedeuten, dass das Gebäude enorm beansprucht wird. Um die Infrastruktur auf dem neuesten Stand zu halten, schliesst das Lokal jeden Sommer für eine Woche. «Wir schleifen Böden, streichen Wände und ersetzen alte Technik», so Naef. Das denkmalgeschützte Gebäude aus dem Jahr 1912 erfordert besondere Sorgfalt, um den Betrieb in Zukunft reibungslos zu ermöglichen.




Sicherheit im Fokus

Ein weiteres Merkmal des Bierhübelis ist seine konsequente Sicherheitsstrategie. «Wir möchten, dass sich alle Gäste bei uns sicher fühlen, vor allem Frauen», erklärt Naef. Neben regelmässigen Schulungen des Personals arbeitet das Bierhübeli eng mit Polizei und Behörden zusammen. Auch die Eintrittspolitik trägt zur Sicherheit bei: «Wer Eintritt zahlt, kommt bewusster hierher und neigt weniger zu Fehlverhalten.» Sollte es dennoch zu Vorfällen kommen, greift eine Null-Toleranz-Politik. «In solchen Situationen geht es nicht darum, ein Urteil zu fällen, sondern Betroffenen zu helfen», ergänzt Hepp. Safe Spaces und klare Ansprechpartner:innen sind dabei feste Bestandteile des Konzepts.

Wirtschaftlich unabhängig

Trotz seiner gesellschaftlichen Werte ist das Bierhübeli ein wirtschaftlich unabhängiger Betrieb. Subventionen gibt es keine, daher müssen alle Veranstaltungen kostendeckend geplant werden. «Wir setzen auf langfristige Strategien, um die Auslastung zu sichern», erklärt Naef. Konzerte werden frühzeitig angekündigt und in mehreren Kommunikationswellen beworben. Auch bei den Eintrittspreisen bleibt das Bierhübeli seiner Philosophie treu: Alle zahlen den gleichen Preis, unabhängig von Geschlecht oder Gruppenzugehörigkeit. «Wir wollen keine VIP-Lounges oder andere Sonderbehandlungen. Das passt einfach nicht zu uns», sagt Hepp.




Kulturförderung Hand in Hand mit B2B-Events

Neben kommerziellen Veranstaltungen sieht das Bierhübeli seine Aufgabe zudem in der Förderung der lokalen Kulturszene. Jährlich finden rund 70 Konzerte mit Nachwuchskünstlern statt. «Wir möchten jungen Talenten eine Plattform bieten», erklärt Naef. Diese Veranstaltungen finden oft auf der kleinen Bühne im Gustav statt und werden aus eigener Initiative organisiert. «Wir sehen das als Beitrag zur Zukunft der Berner Musikszene.» Auch als Eventdienstleister hat sich das Bierhübeli etabliert. Immer mehr Firmen buchen das Team für Veranstaltungen, die von Catering bis Unterhaltung alles abdecken. «Diese Vielseitigkeit stärkt unsere Position in der Region», erklärt Hepp. Die Mitgliedschaft im Handels- und Industrieverein dient der Vernetzung mit lokalen Partnern. «In Bern kennt jeder jeden. Da ist es wichtig, präsent zu sein», fügt Naef hinzu.

Man merkt: Das Bierhübeli ist nicht einfach eine Veranstaltungslocation, es ist ein Ort mit Haltung. Von nachhaltigen Entscheidungen über soziale Verantwortung bis hin zu kultureller Vielfalt – die Werte der Geschäftsführer spiegeln sich in allen Bereichen wider. «Es geht nicht nur um einzelne Events, sondern um eine langfristige Vision», sagt Hepp. Diese Haltung macht das Bierhübeli zu einem Vorbild für verantwortungsvolles Unternehmertum – und zu einem Ort, an dem sich jede und jeder willkommen fühlt.

Sektion: Bern ändern