Der lokale Rohstoff aus dem Kanton Bern

Unweit der Autobahn A1 betreibt die alluvia AG die beiden Kieswerke Mattstetten und Hindelbank. Das Unternehmen ist ein Familienbetrieb, das sich auf den Kiesabbau, die Betonherstellung sowie Logistik und Recycling spezialisiert und der Bauindustrie damit fundamentale Komponenten liefert. In Mattstetten und Hindelbank entsteht beispielsweise der Rohstoff für Projekte wie die neue Festhalle in Bern.

Die vorbeifahrenden Autofahrer auf der A1 auf Höhe Mattstetten sind nur durch wenige Meter Wald von der Kiesgrube getrennt. Rund 40 Meter tief ist sie, 200 mal 250 Meter Seitenlänge. Unter anderem aus dieser Grube stammt die Grundlage für zahlreiche Bauten. Die alluvia AG baut seit rund sechs Jahren Kies aus dieser Grube – dem Äspli – ab, die Gerd Aufdenblatten, Geschäftsführer, veranschaulichend als übergrossen Sandkasten bezeichnet.

Kies ist einer der wenigen in der Schweiz natürlich vorkommenden Rohstoffe und das Basismaterial für einen Grossteil der Bauwirtschaft. «Wir haben hier ein Produkt, das sowohl lokal abgebaut als auch veredelt und verwendet wird», erklärt Gerd Aufdenblatten. All diese Schritte finden durch die alluvia AG statt. Der vor Ort abgetragene Kies ist der Grundbaustein für die Betonherstellung.

Michael Baumgartner, Präsident des Verwaltungsrats, ergänzt: Dank der Abbautätigkeit in Kiesgruben entstehen für vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten äusserst wichtige Biotope, als Ersatz für die in der Schweiz selten gewordenen, natürlichen Flussauen und temporären Gewässer. So können Tiere wie die Gelbbauchunke, Kreuz- und Geburtshelferkröte sowie die Uferschwalbe überleben. Mit der Branchenvereinbarung «Freiwillige Naturschutzleistungen in Kiesgruben und Steinbrüchen» hat sich die Branche vertraglich dazu verpflichtet, in Zusammenarbeit mit der Stiftung Landschaft und Kies zu diesen Tieren Sorge zu tragen.

Die heutige alluvia AG geht auf den Zusammenschluss der beiden Familienunternehmen K. + U. Hofstetter AG und Messerli Kieswerk AG im Jahr 2006 zurück. Die alluvia AG ist heute in zwei Geschäftsbereichen tätig: Kies & Beton einerseits sowie Logistik & Recycling andererseits. Im Grossraum Bern betriebt die alluvia AG drei Kies- und fünf Betonwerke sowie vier Recyclingstandorte.




Wie aus Kies ein Gebäude wird

Obwohl Beton allgegenwärtig ist, denkt die breite Bevölkerung nicht oft über die graue Bausubstanz nach. Was aber bekannt ist: Beton besteht aus Kies, Zement und Wasser. Ersterer nimmt dabei die Rolle des «Skelettes» ein, wie Aufdenblatten erklärt. Vermehrt werden dabei anstatt Kies Recyclingkomponenten oder gewaschener Mischabbruch verwendet.

Den Kies baut die alluvia AG selbst ab, den Zement bezieht sie von Dritten. Je nach Bodenschicht, aus der der Kies abgebaut wird, muss er stärker oder weniger stark gewaschen werden. Wobei Waschen wortwörtlich gemeint ist: Im obersten Stock des hohen Industriegebäudes in Hindelbank befindet sich eine Art in die Länge gezogene Waschmaschine. Hier muss der Kies durch, wird gewaschen und anschliessend grössenabhängig sortiert. Wird nun Beton benötigt, wird die für die jeweilige Verwendung erforderliche Rezeptur – das Kies-Zement-Wasser-Verhältnis – über einen Computer eingegeben. Anschliessend landen diese Einzelbestandteile auf einem Fliessband und werden in die Betonmischer geladen. «Aufgrund der über 400 hinterlegten Rezepturen entsteht quasi auf Knopfdruck ein massgeschneidertes Hightech-Produkt für die Kundschaft», führt Baumgartner aus.

Wenige Meter vom Industriegebäude entfernt befinden sich die Büroräumlichkeiten. Verwaltungsrat Thomas Hofstetter gewährt uns Einsicht in die Arbeit der Disposition: Rund ein halbes Dutzend Personen befinden sich im Raum, es wird viel telefoniert. Hofstetter deutet auf zwei Bildschirme und erklärt, dass hier die Disposition organisiert werde. Hier werde koordiniert, wie der hergestellte Beton auf die Baustelle gelange. Für Laien sind die vielen bunten Balken und die ständig neu aufpoppenden Benachrichtigungen – Updates von Fahrern – nicht zu entziffern. Ein vorhandenes Feldbett zeigt, dass in Einzelfällen auch in der Nacht gearbeitet wird. «Das ist zum Beispiel bei Arbeiten in Bahnhöfen oder auf Strassen erforderlich», so Hofstetter.

Vor dem Verlassen der Büroräumlichkeiten findet sich noch kurz die Zeit für einen Austausch über die Lieblingshockey-Mannschaft der Mitarbeitenden. Es herrscht ein familiärer Umgang bei der alluvia AG.




Die recyclingstärkste Branche der Schweiz

Die Materialbranche, spezifisch Beton, gehört in verschiedenen Bereichen zu den fortschrittlichsten der Schweiz, z. B. was Recycling angeht. «Die Materialbaubranche ist diejenige, die mit Abstand am meisten recycelt. Mehr als PET, mehr als Batterien», lässt Aufdenblatten verlauten. In Zahlen heisst das: 90 % des rückgebauten Materials kann wieder eingesetzt werden. Wird Beton abgebaut, etwa bei einem Gebäuderückbau, kann fast alles Material wieder als Kiesersatz im Beton eingesetzt werden.

Auch sonst existieren Innovationen, die den CO2-Abdruck des Betons verbessern. In Biberist wird z. B. eine alte Papierfabrik rückgebaut. Daraus entstehen rund 500'000 Kubikmeter Betonabbruch in einem Zeitraum von fünf bis sieben Jahren. Die alluvia übernimmt diesen Betonabbruch und betreibt zusammen mit der Vigier AG vor Ort eine CO₂-Speicheranlage, die rund 1'000 Tonnen CO₂ pro Jahr permanent im Beton speichert. Das entspricht der Leistung eines Waldes von 50'000 Bäumen oder dem Ersatz von 35 regulären LKWs durch elektrische. Geplant ist in Mattstetten eine weitere Anlage zu bauen, die rund 600 Tonnen CO₂ pro Jahr absorbieren wird.

Ein Umzug für die Bevölkerung

Während der rund fünfminütigen Autofahrt nach Mattstetten spricht Gerd Aufdenblatten über die Zukunftspläne der alluvia AG. «Auf der Strecke, die wir hier fahren, bringen die Lastwagen jeweils den Kies von Mattstetten nach Hindelbank», erklärt Aufdenblatten. Die Route verläuft durch den Dorfkern von Hindelbank. Aus Rücksicht auf die Anwohner werden die Kiestransporte auf jeweils eine Woche im Monat fokussiert, sodass nicht täglich Lastwagen durch die Wohngemeinde fahren. Dennoch sind das in dieser «Transportwoche» rund 40 bis 50 Lastwagenfahrten am Tag – hin und zurück, was Gerd Aufdenblatten als nicht optimal erachtet.

«Wir haben versucht, ein Förderband zu bauen, das den Kies entlang der Autobahn ins Kieswerk transportiert. Dadurch wären keine Lastwagenfahrten mehr nötig.». Hier intervenierte aber das Bundesamt für Strassen ASTRA. Solange das Ausbauprojekt auf sechs Spuren nicht abgeschlossen sei, könne kein Förderband installiert werden. Aus diesem Grund plant die alluvia AG das Werk in Hindelbank in den nächsten Jahren nach Mattstetten, hin zu den Kiesreserven zu verlegen. Diese Verlegung benötigt aber noch einen langwierigen Bewilligungsprozess. Die Inbetriebnahme ist frühestens für das Jahr 2030 vorgesehen.




Unternehmer müssen sich organisieren

Gerd Aufdenblatten amtet neben seinem Job als Geschäftsführer der alluvia AG auch als Vizepräsident des kantonalen Kies- und Betonverbandes KSE – und kennt den HIV deshalb gut. «Bei Abstimmungen und wichtigen Themen arbeitet der KSE sehr eng mit dem HIV zusammen», meint er. Als Unternehmer hingegen hält sich sein Kontakt in Grenzen. Das findet Aufdenblatten gut so: «Es ist nicht die Aufgabe des HIV, Partikulärinteressen zu vertreten.». Das sei die Aufgabe der einzelnen Unternehmerinnen und Unternehmer. Es sei wichtig, sich zu organisieren und Gegendruck auszuüben. Wogegen?

Aufdenblatten erklärt, dass sich der Kanton Bern aus unternehmerischer Sicht zunehmend zu einem schwierigen Umfeld entwickle. Bei der alluvia AG erfährt Aufdenblatten dies direkt durch die «lähmende Administration». Zur Veranschaulichung führt Aufdenblatten aus, dass der Kiesabbau einer Bewilligung bedürfe. Der Prozess zur Erlangung dieser Bewilligung dauere mittlerweile rund 20 Jahre und bedürfe der Integration vieler Stakeholder. Obwohl immer mehr gebaut werde, würden immer weniger Bewilligungen erteilt. «Wenn wir keinen Kies aus dem Kanton Bern verwenden dürfen, muss dieser importiert werden – teils auch aus dem Ausland. Und weil der Transport von Kies im Vergleich zum Materialpreis unverhältnismässig teuer ist, würde sich dies sehr stark auf den Produktpreis niederschlagen. Kurz: Bauen mit Beton würde viel teurer», fasst Aufdenblatten zusammen.

Aber genau hier hilft der HIV. Mit dem Einsatz für einen wirtschaftsfreundlicheren Kanton Bern ist er da, um diese Hürden abzubauen. Von einfacheren Bewilligungsprozessen bis hin zu attraktiveren Rahmenbedingungen, auch in Bezug auf die im Kanton Bern sehr hohen Unternehmenssteuern. Ob deshalb ein Wegzug, zum Beispiel in den Kanton Zug, infrage käme? Für Aufdenblatten ein klares Nein: «Will man ein verantwortungsvoller Unternehmer sein, muss man der Gesellschaft etwas zurückgeben. Das beinhaltet auch das Zahlen von Steuern. Wer die Infrastruktur nutzt, soll auch dafür aufkommen.»